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„Digitalisierung ist mehr als Homeoffice“

Autorenbild: Niki SlawinskiNiki Slawinski


Was nehmen wir aus dem Lockdown für die Digitalisierung mit? Welche Bedeutung könnten „digitale Zwillinge“ für Menschen und Unternehmen haben? Und was ist die „dritte Generation des Internets“? Darüber spreche ich mit Digitalisierungsexperte Dr. Ulrich Franke.


Haben die Corona-Krise und der Lockdown im positiven Sinne das Thema Digitalisierung vorangebracht?

Ulrich Franke: Was ist mit Digitalisierung gemeint? Die Digitalisierung der Arbeit, also Homeoffice? Ja, die ist nach der Krise anders als vor der Krise. Doch Digitalisierung ist mehr, als nur zu Hause einen Laptop anzuschließen. Stichworte sind hier Internet of Things, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie. Bei der industriellen Digitalisierung, also Industrie 4.0, geht es um die Synchronisation von Produktion und Logistik mithilfe von IT.


Kannst du uns bezogen auf den Bereich der Kommunikation die Vielfalt der Digitalisierung beschreiben?

Ulrich Franke: Ich unterscheide drei Ebenen der Kommunikation. Die erste Ebene ist die Kommunikation von Mensch zu Mensch. Diese Ebene wird befördert, weil es immer mehr Kommunikationsmöglichkeiten gibt, also WhatsApp, Podcasts oder Instagram.


Bei der zweiten Ebene geht es um die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine: „Alexa, fahr mich zur Oma.“ oder „Siri, spiel mein Lieblingslied.“ Bei Augmented Reality verläuft es umgekehrt: Die Maschine sagt dem Menschen über die VR-Brille, wo die Schraube hinmuss oder wo während eines chirurgischen Eingriffs der Schnitt am Patienten anzusetzen ist.

Die dritte Ebene der digitalisierten Kommunikation ist dann die von Maschine zu Maschine. Meine Kaffeemaschine löst im System der Lieferfirma eine Kaffeebestellung aus. Dann kommt jemand und füllt die Maschine mit Kaffeebohnen auf und die Maschine bezahlt automatisiert die Lieferfirma.

Wo stehen die Unternehmen im Bereich der industriellen Digitalisierung?

Ulrich Franke: Irgendwo am Anfang, wenn ich es mit einem Optimum dessen, was möglich ist, vergleiche. Viel zu wenige Unternehmen beschäftigen sich mit den neuen Technologien und Möglichkeiten. Ich stelle immer wieder fest, dass die Komplexität der digitalen Möglichkeiten zu schnell voranschreitet und die intellektuelle Kapazität der Menschen in Unternehmen nicht ausreicht. Viele haben daher auch Angst vor den neuen Technologien und der Digitalisierung. Der Reifegrad der Digitalisierung wird immer stärker zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor, denn die Digitalisierung beeinflusst Kosten, Qualität, Agilität, Markt- und Kundenbeziehungen – also im Prinzip alle für eine Kaufentscheidung wichtige Parameter.


Wie könnte das Optimum der Digitalisierung aussehen?

Ulrich Franke: Nehmen wir den digitalen Zwilling, auch Digital Twin genannt. Ein digitaler Zwilling ist eine Kopie der physischen Welt wie zum Beispiel von einem Auto. Der digitale Zwilling besteht aus einem Set mit allen Informationen, woraus das Auto besteht. Wer hat die Sitze hergestellt? Woraus besteht das Leder der Sitze? Wie wurde das Tier gehalten? Usw. Wir sammeln alle diese Infos zu einem Produkt im digitalen Zwilling – bis hin zur fachgerechten Entsorgung am Ende der Produktlebenszeit. Zwischendurch kommt das Auto in die Werkstatt und es wird gespeichert, was dort gemacht wird. Und dann siehst du womöglich anhand von sehr vielen Zwillingen, die über Künstliche Intelligenz ausgewertet werden, dass der Keilriemen immer nach 99.000 km kaputtgeht, also wechseln wir ihn genau vorher und nicht wesentlich früher oder später.


Hätten uns digitale Zwillinge auch bei der Corona-Krise helfen können?

Ulrich Franke: Natürlich. Das Prinzip des digitalen Zwillings kann auch auf den Menschen bezogen umgesetzt werden. Stellen wir uns mal vor, wir hätten alle Daten von Beginn an zu den an Covid-19 erkrankten Menschen vorliegen gehabt. Weltweit für alle Wissenschaftler zur Verfügung. Natürlich anonym. Mit so einer Datenbasis von digitalen Zwillingen wären wir heute vielleicht mit der Pandemie schon durch. Und jetzt überleg mal, wie viele Leute das verstehen und das gut finden. Die einen sagen: verstehe ich nicht. Die anderen: will ich nicht. Dann lässt sich nachvollziehen, warum es mit der Digitalisierung nicht so weit ist, wie sie sein könnte. Ein Beispiel: In den meisten Unternehmen ist WhatsApp verboten. Bezogen auf den Anbieter WhatsApp ist klar, warum. Doch wenn es um die Technologie geht, gibt es auch blockchainbasierte Instant-Messenger. Diese sind absolut sicher und sofort einsetzbar.


Kannst du uns die Blockchain-Technologie erläutern?

Ulrich Franke: Blockchain ist die dritte Generation des Internets. Das Internet ist ja nichts anderes als eine große Kopiermaschine. Man stellt etwas im Internet zur Verfügung und alle User können sich da etwas runterziehen. In der Blockchain-Technologie geht es darum, Inhalte einzigartig zu machen. Das große Anwendungsthema ist Digital Identity. Ob Fitness, Versicherung oder Online-Bestellung, du musst ständig deine Daten angeben. Adresse, Geburtsdatum und so weiter. Wollen wir das? Ich möchte ja eigentlich, dass die Daten mir gehören. Das ist unser europäischer Denkansatz.

Wie kann das konkret aussehen? Ulrich Franke: Stellen wir uns folgende Frage: Wofür braucht Amazon meine Postanschrift? DHL braucht die. Aber Amazon nicht. DHL wiederum braucht nicht zu wissen, was in dem Päckchen ist. Es geht hier um Self Sovereign Identity, also um die selbstbestimmte Identität. Es gibt dann eine digitale Identität mit allen meinen Daten, Urkunden, Passwörtern und Zertifikaten wie Angelschein oder Führerschein und mit dieser einen digitalen Identität kann ich alles steuern. Dann schaue ich bei der Autovermittlung nur noch in eine Kamera, sie scannen meine Iris und sie erhalten ein grünes Lämpchen, dass ich einen gültigen Führerschein habe und das Auto fahren darf. Sie erhalten nur noch genau diese eine Information, die sie brauchen, und nicht alle weiteren aus meinem Führerschein und zu meiner Person.

Wenn diese Self Sovereign Identity dem europäischen Denkansatz entspricht, könnte man meinen, Europa ist bei der Blockchain-Technologie vorne dabei. Ist das so? Ulrich Franke: Blockchain ist weltweit ein Thema. Europa ist gut aufgestellt, genauso wie Deutschland. Wir haben keinen Vorsprung, sind aber auch nicht hinten dran. China ist vorne dabei. Die USA sind durch Corona womöglich zwei Jahre zurückgefallen. In Deutschland gibt es Forschungsinstitute, die Bundesregierung hat vor ein paar Monaten ihre Blockchain- Strategie veröffentlicht und die EZB will den Euro auf eine Digitalwährung umstellen.



Vielen Dank für das Interview!


Dies war Teil 2 des Interviews mit Dr. Ulrich Franke.


Dr. Ulrich Franke ist Management Consultant for Digital Solutions bei der Cassini Consulting AG. Davor war er Professor für Logistik / SCM an der SRH Hochschule in Hamm und Manager in diversen Logistikunternehmen. Seine derzeitigen Beratungsschwerpunkte sind die Blockchain-Technologie, Supply Chain Risk, Security und Resilience Management.

> Links zu Dr. Ulrich Franke: XING und LinkedIn

> Link zur XING-Gruppe Blockchain (von Dr. Franke moderiert)



Was denken Sie: Wie weit sind deutsche Unternehmen mit „digitalen Zwillingen“ und „Blockchain-Technologie“? Nennen Sie mir Beispiele und stellen Sie mir Ihre Fragen. > Kontakt 

 

Der Austausch mit Ihnen und meinen Interviewpartnern gehört für mich zu meinem Prinzip der Ideen- und Strategie-Entwicklung: Input erzeugt Output. Entdecken, erforschen, reflektieren und dann selbst entwickeln.

Mehr über mein Vorgehen: > Beratung



Bildquellen:

1. Fhoto by Lauren Mancke on Unsplash (Home Office) > zum Bild

2. Foto by Eddie Kopp on Unsplash (Virtual Reality) > zum Bild

2. Foto by Hitesh Choudhary on Unsplash (Blockchain) > zum Bild

3. Foto by Dr. Ulrich Franke


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